Mach mir den Ernie…
Wir haben’s alle gesehen, die ganze Welt war Zeuge, hielt den Atem an. Die Sky-Kameras klebten gnadenlos wie Pattex an der kleinen weißen Kugel, hielten sie fest für die Ewigkeit. Die sieben Putts, mit denen Ernie Els – immerhin viermaliger Major-Sieger – ins Masters in Augusta (Georgia/USA) startete. Ein Negativ-Rekord, wie ihn die 79-jährige Masters-Geschichte noch nicht erlebt hat. Alles lief schief.
Ein Meter? Was soll sein! Er nahm sich nicht ausreichend Zeit, las keine Puttlinie, stellte sich nicht ruhig hin, versuchte die zunehmende Unsicherheit mit noch größerer Lässigkeit zu kompensieren. Ein Schulbuch-mäßiger Untergang.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen…
Ernie Els tat mir unglaublich leid in diesen Momenten, in denen ihm die Hände, so erklären es sich zumindest Golfexperten, unkontrollierbar zitterten, von Golfern als so genannte Yips gefürchtet. In denen er die Nerven verlor, in denen er die allerkürzesten Putts vorbeischob. Ein Klatsch- und Kopfschüttel-Thema für die Golfer auf allen fünf Kontinenten.
Aber ehrlich, sieben Putts auf einem einzigen Grün? Das schaffen selbst die schwächsten Putter kaum. Ernie hat uns allen gezeigt, was eigentlich nicht möglich ist. Seine Putts von Augusta sind für uns alle in Zukunft die beste Entschuldigung!
Was ist ein guter Putt?
Die Antwort ist klar: Ein guter Putt ist DRIN. Glücklicherweise ist das Loch an manchen Tagen so groß, dass man meint, man müsse einfach nur eine Murmel in ein Weinfass rollen lassen. An anderen Tagen, schlimmer noch: An anderen Bahnen am gleichen Tag ist das Loch wie zugenagelt. Mal ist der Ball zu lang, mal zu kurz, mal zu weit rechts, mal zu weit links. Überall eben – nur nicht da, wo er hinsollte: INS LOCH. Und wenn er nicht fällt, dann kommt die Häme der lieben Mitspieler dazu. Schießt der Ball wie eine rollende Rakete am Loch vorbei, gibt es garantiert immer einen auf dem Green, der gedämpft – aber für jeden hörbar – vor sich hin murmelt: "Schöne Durchschnittsgeschwindigkeit…"
Bleibt der Ball zu kurz, kommt aus einer anderen Ecke der Satz, den wir alle kennen: " 99 Prozent aller zu kurzen Putts sind nicht drin." Hahahaha.
Hat man nur noch einen Putt aus einer Millimeter-Entfernung, schwadroniert garantiert irgendjemand: "DIE kannst Du ja…" Es gibt sogar Mitspieler, die ins direkte Ansprechen hinein quatschen: "Da hast Du aber noch'n schönen Wadenbeißer…"
Ich habe mal mit einer Dame… - na, ja, Dame…? - gespielt, die machte uns fast den Ernie – und verlor im Gegensatz zu dem sympathischen Südafrikaner die Beherrschung. Nach dem dritten oder vierten Putt schrie sie: „Ich putter mir hier den ganzen Score in’ Arsch!" Und dabei trat sie so heftig auf, dass sich das Green von ihrem Schuhabdruck nur schwerlich erholte.
Ich weiß, wie das ist, wenn die Putts nicht fallen. Da jagt man die Kugel mit einem starken Schuss 170 Meter über das Wasser – und auf den Erfolg folgt dann gleich der Misserfolg: Kein Putt fällt! Besonders gut kann ich mich an eine Runde mit Freunden im spanischen Valderrama erinnern. Das war zu einer Zeit, als ich relativ locker mit dem zweiten Schlag auf dem Grün lag… aber auf den schweren, welligen, ondulierten andalusischen Greens bin ich meist mit drei oder eher noch vier Putts vom Grün gegangen. Was heißt gegangen … eher mürrisch geschlichen. Und meine Freunde feixten: „Heiner, Du kannst eben nicht alles. Du kannst sie fliegen lassen, aber putten musst Du wohl noch üben.“
Schöne Freunde! Jedenfalls haben wir abends ein paar Flaschen Rioja drauf getrunken. Am anderen Morgen konnte ich mich nur noch an die guten Putts erinnern! Das ist wie Frauen schön trinken!
Nur Übung macht den Meister
Was soll ich Euch sagen, was Ihr nicht selber wisst? Putten muss man üben, üben, üben. Immer wieder. So wie Jordan Spieth, der als bester Putter der Welt gilt. Die Richtung muss stimmen, der Rhythmus muss stimmen, die innere Ruhe. Den Putter durchziehen, bis sein Kopf und die Fahnenstange bzw. das Loch eins werden, wenn man der Schwungkurve nachschaut. Und letztendlich brauchen wir auch alle ein bisschen Glück. Jenes Glück, das Ernie Els auf dem Grün des Par 4 mit dem Namen „Tea Olive“ verließ.
Grüns zum Üben gibt es genug, Bücher, in denen steht, wie man es machen soll, könnt Ihr euch rauf- und wieder runter laden.
Amüsant finde ich das Video von Sam Davies. Er hat die eigenen vier Wände zum ultimativen Putt-Parcours umgebaut. Wichtigstes Utensil zum Nachputten; eine leere Klorolle! Geduld und Humor! Und natürlich einen Putter, der gut in Eurer Hand liegt. Denn wie sagte schon Winston Churchill: "Golf ist ein dämliches Spiel, das mit Utensilien gespielt wird, die für diesen Zweck gänzlich ungeeignet sind.“
Wenn Ihr es noch genauer wissen wollt:
www.wiley-vch.de/books/sample/3527704558_c01.pdf
www.markmattheis.de/index.php/putt-tests.html
www.putter-world.de