R.I.P. Paulchen - Du Golfbrador
Gehen wir noch weiter, oder machen wir Schluß?
Das ist immer wieder die Frage, sobald Golfer den Drive auf der ‘Neun’ Richtung Fairway (oder wohin auch immer) geschossen bzw. gekullert haben… Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich oftmals gesagt: „Sorry Leute, ich mach’ Schluß.’ Und auf die Frage nach dem Warum war meine Erklärung oftmals: „Ich habe ‚nen Hund zu Haus‘…und der hat nur eine Blase für neun Löcher…“
Schön, dass Du da bist!
Hahahaha, großes Gelächter, aufmunterndes Schulterklopfen. Immer die gleiche Szenerie.
Dabei brauchte ich gar keine Aufmunterung - ich habe innerlich nie gemurrt, wenn der Rest-Flight dann auf die Zehn weiterzog und ich mich ins Auto setzte und mein Zuhause ansteuerte, das Paula an manchen Tagen allein bewachte. Wußte ich doch, wer mich im Flur (ungefähr einen Millimeter von der Haustür entfernt) erwartete: Paulas freudiges Schwanzwedeln! Und der Ausdruck in ihren leuchtenden Augen: Schön, dass Du da bist…!
Nie wieder wird Paula, von uns allen liebevoll Paulchen genannt, mit dem Schwanz wedeln. Nie wieder wird sie mich mit leuchtenden Augen angucken. Nie wieder wird sie wachsam bellend (selbst aus demTiefschlaf!) zur Tür hechten, wenn es klingelt und es für sie galt, uns zu verteidigen.
Paula ist tot. Sie ist in unseren Armen gestorben, eingeschläfert von unserem Tierarzt. Jetzt, beim Schreiben, höre ich immer noch das Schluchzen meiner Frau Katrin und meiner Tochter Katinka, sehe und fühle die Tränen, die unaufhaltsam über ihre Wangen rinnen. Ich halte und streichel Paulchens Pfote, als der Doktor, mit dem Stethoskopf am Ohr, mit leiser Stimme sagt: „Ihr Herz steht still.“
An der Leine keine Paula
Es dauert viele Minuten, bis wir Paula in der Praxis zurücklassen - und uns dann zu Fuß zu dritt auf den Heimweg machen. Wir gehen den Weg, den wir zuvor mit ihr zum Doktor gegangen waren. Wir drei haben uns eingehakt, allein und dennoch gemeinsam mit der Trauer und Paulchens Leine an der Hand!
Paula war ein Labrador. Ich hatte weitere Namen für sie. Gute-Laune-Brador. Ich-sag-immer-ja-Brador. Freude-Brador. Futter-Brador. Wurst-Brador. Wedel-Brador. Hops-Brador. Eben auch Golf-Brador.
16 Jahre alt ist Paula geworden. Ein biblisches Alter für einen Labrador - die meisten gehen schon zwei, drei, vier Jahre vorher über die berühmte Regenbogenbrücke.
Die Regenbogenbrücke
Ja, „es gibt eine Brücke, die den Himmel und die Erde verbindet. Weil sie so viele Farben hat, nennt man sie die Regenbogenbrücke. Auf der jenseitigen Seite der Brücke liegt ein wunderschönes Land mit blühenden Wiesen, mit saftigem grünen Gras und traumhaften Wäldern. Wenn ein geliebtes Tier die Erde für immer verlassen muss, gelangt es zu diesem wundervollen Ort. Dort gibt es immer reichlich zu fressen und zu trinken, und das Wetter ist immer so schön und warm wie im Frühling. Die alten Tiere werden dort wieder jung und die kranken Tiere wieder gesund. Den ganzen Tag toben sie vergnügt zusammen herum.“ Autor des Originals Paul C. Dahm, Übersetzung von Carmen Stäbler)
Genau an diesem Ort ist unser Paulchen jetzt. Und das ist natürlich ein Riesen-Trost in diesem Riesen-Kummer. Das Paulchen lernt hinter der Regenbogenbrücke neue Tiere kennen - und natürlich ist sie bei ihren alten Weggefährten. Bei Zita, der Labrador-Hündin, die eine OP nicht überlebt hat. Und bei AP, dem wundervollen Pferd unserer Tochter, das sich in der Box das Bein brach und im Morgengrauen eingeschläfert werden mußte. Ich werde das Bild der anderen Pferde nie in meinem Leben vergessen. Als Katrin und ich im Stall eintrafen, standen sie alle - von unsichtbarer Regie geleitet - minutenlang parallel nebeneinander, ihre Blicke, ihre Köpfe waren auf die Box gerichtet, in der unser totes Pferd unter einer Decke lag…
Ich könnte heute noch weinen, wenn ich an diese Szene zurückdenke!
Als Paula in unsere Familie kam, lebten wir voneinander getrennt. Ich arbeitete in Berlin, meine Frau und meine Tochter wohnten in Hamburg, mein Sohn war gerade in Thailand. Wo immer der eine oder die andere auch war…wir waren immer im Gespräch, immer im engen Familien-Kontakt.
Ich bin noch zu haben!
Und so wußte ich auch sehr schnell, was an diesem Samstagvormittag 2001 vor dem Bäckergeschäft ‚Dat Backhus‘ geschehen war… Draußen vor dem Laden am Laternenpfahl saßen drei Labradore…zwei weiße und eine kleine winzige schwarze. Alle artig und unangebunden. Die kleine schwarze trug eine rote Socke am Hals, auf einem Schild, das ihr um den Körper gelegt worden war, stand: „Ich bin noch zu haben.“
Meine Frau und meine Tochter blieben entzückt vor diesem wundervollen Trio stehen. Sie konnten sich nicht lösen…die drei wirkten wie ein Magnet auf Katrin und Katinka. Das wiederum muss den Besitzer und Züchter gefreut haben, der im ‚Backhus‘ war und die Reaktionen der Menschen checkte. Bei großer Begeisterung witterte er die Chance, den kleinen Hund zu verkaufen. Seine Stunde war nun gekommen.
Nur mal über's Wochenend
Er kam natürlich schnell ins Gespräch mit Katrin und Katinka, stellte Paula als elf Wochen junges und stubenreines (was natürlich nicht stimmte…) Welpenbaby vor, die anderen beiden als Paulas Mutter und Tante. Und er machte ein spezielles Angebot. Er versprach: „Sie können die Kleine ja mal über’s Wochenend nehmen. Wenn’s dann nicht paßt, rufen Sie mich einfach an, und ich hole sie wieder ab…“
Erraten - aus diesem Wochenend wurden 16 lange wundervolle Jahre.
Und ‚Dat Backhus‘ blieb in all den Jahren so etwas wie ein Pate für Paulchen. Wann immer ich in den vergangenen 12 Jahren morgens zum Brötchenholen gegangen bin, habe ich Paula draußen am Laternenpfahl festgemacht, und tänzelnd wartete sie, dass ich wieder heraus komme aus dem Geschäft.
Wir teilten uns das 'Knackfrische'
Sie wußte, dass ich mein Lieblingsbrötchen, das ‚Knackfrische‘, auch für sie dabei hatte. Die ersten beiden Häppchen vom Brötchen bekam sie direkt vor dem Geschäft, den Rest teilten wir später…in der Küche am Frühstückstisch. Oft gab's noch eine Scheibe Wurst drauf.
Nun fragen mich die Menschen, warum ich plötzlich ohne den Hund komme. Ich sage es ihnen dann, und sie versuchen mich zu trösten. So lieb von ihnen - eine Nachbarin aus unserem Haus, der wir für ihren Hund Paulchens Leckerlis geschenkt haben, stand plötzlich in der Haustür. Mit einem kleinen wunderschönen Strauß und einer brennenden Kerze mittendrin.
Ich vermisse das Paulchen so sehr. In all den Jahren war sie IMMER freundlich, hat immer JA und nie NEIN gesagt. Sie hat mich nie geärgert, nicht mal im Ansatz. Ich konnte mich immer auf sie verlassen. Selbst an jenen Tagen, an denen ich nicht nach neun Löchern die Runde abbrechen, sondern wegen eines Turniers 18 Löcher spielen mußte. Dann war Paula - wenn wir beide einhüteten - mit An-und Abfahrt, Golfrunde und Drink auf der Terrasse sieben Stunden allein.
Mit voller Blase!
R.I.P. Paulchen - mein Golf-Brador!